Einblicke in die Herausforderungen, Erfolge und Dynamiken der interkommunalen und regionalen Zusammenarbeit in der Kreislaufwirtschaft
Die Verbundvorhaben "CarboMass" und "IRRMa" beschäftigen sich beide mit nachhaltiger und kreislauforientierter Reststoffverwertung. Prof. Dr. Elmar Hinz (CarboMass) und Thomas Winkelmann (IRRMa) geben Einblicke in die Herausforderungen, Erfolge und Dynamiken der regionalen und interkommunalen Kooperationen in den Verbundvorhaben, welche für kreislauforientiertes und nachhaltiges Wirtschaften erforderlich sind.
In der BMBF-Fördermaßnahme "REGION.innovativ - Kreislaufwirtschaft" stehen Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Wertschöpfung im Mittelpunkt. Dabei umfasst das Thema nicht nur technische Innovationen, die Stoffkreisläufe erweitern und die Ressourceneffizienz steigern. Auch die notwendigen Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren rücken in den Fokus – wie etwa die Zusammenarbeit zwischen Kommunen oder die Zusammenarbeit von Kommunen mit neuen Partnern. Gemeinsam mit den Verbundvorhaben "CarboMass" (Prof. Dr. Elmar Hinz) und "IRRMa" (Thomas Winkelmann) werfen wir einen Blick auf die Erkenntnisse, Erfolge, Herausforderungen und Dynamiken der regionalen und interkommunalen Kooperationen in den Vorhaben.
Die Verbundvorhaben » "CarboMass" und » "IRRMa" beschäftigen sich mit nachhaltiger und kreislauforientierter Reststoffverwertung. Hierfür entwickeln beide Verbundvorhaben technisch-innovative Lösungen: In "CarboMass" wird aus Klärschlamm mittels einer Pilotanlage zur Klärschlammpyrolyse ein Pyrolysat hergestellt, welches zusammen mit Kompost zur Haldenreaktivierung erprobt wird. "IRRMa" entwickelt und testet interkommunale Sammel-, Aufbereitungs- und Verwertungskonzepte und ein softwarebasiertes, GIS-unterstütztes, interkommunales Managementsystem, um Reststoffe zukunftsfähig zu entsorgen und zu verwerten. Neben den technischen Innovationen befassen sich beide Verbundvorhaben mit kommunalen Strukturen und Prozessen und der Frage, wie diese kreislauforientierter ausgerichtet und effizienter gestaltet werden können.
Prof. Dr. Elmar Hinz (Hochschule Nordhausen, Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; CarboMass; Foto: Hochschule Nordhausen)
Thomas Winkelmann (Regionale Aktionsgruppe Saale-Holzland e.V.; Projektkoordinator IRRMa; Foto: Ländliche Kerne e.V.)
Zirkuläres Wirtschaften erfordert die enge Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren: Inwiefern konnten in Ihrem Vorhaben interkommunale und regionale Kooperationen gestärkt und ausgebaut werden?
Prof. Dr. Elmar Hinz (CarboMass): "Zirkuläres Wirtschaften bedarf einer angemessenen sozialen Einbettung, d. h. ohne die Berücksichtigung des Zusammenspiels von verschiedenen Akteuren funktioniert es nicht. Nur ist es bei komplexen Themen anfänglich schwierig alle relevanten Akteure in ihren Rollen und mit ihren Interessen zu identifizieren. Wir haben uns daher im CarboMass-Verbund stark auf die betrieblichen Rollen konzentriert. Das war sehr hilfreich, um dann ein Verständnis für gemeinsame Prozesse zu entwickeln. Wie zu erwarten, wenn eine heterogene Gruppe zusammenarbeiten soll, benötigt dieser Austausch über eine gemeinsame Basis allerdings ein gewisses Maß an zeitlichen Ressourcen. Und letztlich müssen natürlich auch die Akteure miteinbezogen werden, die außerhalb des „betrieblichen Kerns“ wichtige Rollen einnehmen. Dazu haben wir z. B. mit benachbarten Verbänden gesprochen, haben uns ihre Sicht der Dinge erläutern lassen und versucht Schnittstellen zu definieren. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Kläranlagen, die allein schon auf topographische Gegebenheiten zurückgeführt werden kann, ist eine direkte interkommunale oder regionale Kooperation, die über das Projekt und die bereits informell bestehenden Kooperationen hinausgeht, jedoch nicht zustande gekommen."
Thomas Winkelmann (IRRMa): "Ein Ziel des IRRMa Projektansatzes ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen anzuschieben und vorhandene zu stärken. Dazu zählen nicht allein Gemeinden und Städte, sondern auch die Kooperation zwischen Gemeinden und Landkreis. Zum einen sind hier unterschiedliche Zielgruppen/Adressaten angesprochen, anderseits aber ähnlich verwertbare Reststoffe vorhanden. Dieses Zusammenzudenken, um Synergien zu nutzen ist ein weiterer Ansatz in IRRMa. Der Kooperationsgedanke ist gegenwertig, allerdings noch nicht überall mit vollem Potential ausgeprägt."
Welchen Herausforderungen sind Sie bei der interkommunalen und regionalen Zusammenarbeit in Ihrem Projekt begegnet? Wie sind Sie damit umgegangen?
Prof. Dr. Elmar Hinz (CarboMass): "Eine Herausforderung, die uns zwar schon relativ früh bewusst wurde, aber dennoch bis heute umtreibt, ist die Last der Regulierung. Weiterhin machen bürokratische Verfahren auch die Durchführung bewilligter Forschungsprojekte schwierig. CarboMass ist ein Projekt in dem deutlich wird, dass Gesetzesänderungen oder -anpassungen zwar eine gute Idee verfolgen können, die Umsetzung und damit Erprobung dieses Gedankens in die Praxis, neben auf der Hand liegenden Alternativen (bei uns die Entsorgung des Klärschlamms in Monoverbrennungsanlagen), aber ein langer und holpriger Weg ist. Für Pyrolyseanlagen bzw. den Stoff, der dort produziert wird und der in unserem Fall auf die Kalihalde aufgebracht werden soll, gibt es keine klaren gesetzlichen Regelungen. Bürokratischer Aufwand bei den Partnern zur Genehmigung der Testflächen für CarboMass führt dann zur Notwendigkeit, Ausweichmöglichkeiten für Versuche schaffen zu müssen. Das alles sorgt für ein hohes Maß an Unsicherheit innerhalb eines Projekts und macht die Entwicklung interkommunaler Zusammenarbeiten gerade für die Praxispartner nicht einfach. Auch eine Skalierbarkeit von Kooperationen ist schwierig, wenn diese meist ad hoc aus der Notwendigkeit heraus zwar funktionieren, aber nicht langfristig in einem stabilen Regulierungsrahmen geplant werden können."
Thomas Winkelmann (IRRMa): "Folgende drei Aspekte sind in dem Vorhaben von Bedeutung. Erstens sind unterschiedliche Interessen und Prioritäten, Zuständigkeiten sowie Wirkungskreise von Bedeutung. Verschiedene Kommunen und regionale Akteure haben oft unterschiedliche wirtschaftliche, politische und soziale Prioritäten, Zuständigkeiten und verwaltungsrechtliche Rahmen (Wirkungskreis), die eine einheitliche Zusammenarbeit erschweren. Wir haben daher versucht, frühzeitig eine Stakeholder-Analyse durchzuführen, um die Bedürfnisse und Prioritäten der verschiedenen Akteure zu verstehen. Durch regelmäßige, moderierte Dialoge und Workshops wollten wir gemeinsame Ziele definieren und Kompromisse finden. Leider stießen die Ansätze zunächst auf geringe Anerkennung.
Zweitens sind Finanzierungsengpässe relevant. Finanzierungsfragen sind häufig ein großes Hindernis, da unterschiedliche Gemeinden unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten und Prioritäten haben. Durch die Entwicklung gemeinsamer Projektansätze und Modell- bzw. Feldversuche sollten Ressourcen gebündelt und Finanzierungslücken geschlossen werden. Erfolgreiche Beispiele sollen im Rahmen interkommunaler Kooperation fortgeführt und weiterentwickelt werden. Ziel sind Wertschöpfungseffekte zu erzielen, neue Geschäftsbereiche für lokale Unternehmen wie bspw. aus der Landwirtschaft.
Schließlich sind drittes regulatorische Unterschiede wichtig. Unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen und Vorschriften in den beteiligten Kommunen können die Umsetzung gemeinsamer Projekte behindern. Wir haben rechtliche Gutachten zu den Thematiken ausarbeiten lassen, um die Akteure über die bestehenden Unterschiede und mögliche Lösungsansätze zu informieren. Zudem setzten wir uns aktiv für harmonisierte Regelungen auf regionaler Ebene ein."
Welche Instrumente, Formate und Ansätze dürfen in einem Werkzeugkasten für eine gelingende interkommunale und regionale Kooperation in der Kreislaufwirtschaft nicht fehlen?
Prof. Dr. Elmar Hinz (CarboMass): "Hier reden wir von zwei an sich schon recht komplexen Themengebieten: Die Kreislaufwirtschaft als relativ neues und sehr umfassendes Handlungsfeld, das gleichzeitig in den Institutionen unserer Gesellschaft noch nicht so etabliert ist, wie wir uns das vielleicht wünschen würden. Und auf der anderen Seite die Kooperationserfahrungen, die häufig aus einer Notwendigkeit und nicht aus freiem Willen entstehen. Daher sollte für solche Transformationsanstrengungen immer die Vereinbarkeit der vorhandenen Themen und die generelle Machbarkeit insbesondere hinsichtlich der politischen und rechtlichen Hürden auf den unterschiedlichen Ebenen frühzeitig ins Visier genommen werden. In unserem Werkzeugkasten darf also für weitere Projekte eine generelle Machbarkeitsprüfung zur Fusionierung der angestrebten Themenkomplexe nicht fehlen."
Thomas Winkelmann (IRRMa): "In unserem Vorhaben zur Förderung des zirkulären Wirtschaftens konnten wir interkommunale und regionale Kooperationen durch gezielte Maßnahmen stärken und ausbauen. Hierzu gehören die Netzwerkbildung und Plattformen. Durch die Einrichtung von Netzwerken und Plattformen, auf denen sich verschiedene Akteure wie Unternehmen, Kommunen, Forschungseinrichtungen und Bürger austauschen können, kann die Zusammenarbeit erleichtert werden. Solche Plattformen dienen als Katalysatoren für gemeinsame Projekte und den Wissenstransfer. Zum Werkzeugkasten gehören auch gemeinsame Projekte und Best Practices - Probieren statt nur studieren. Erfolgsgeschichten motivierten weitere Akteure zur Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsame Projekte initiiert, bei denen verschiedene Kommunen und regionale Akteure zusammenarbeiteten. Beispiele hierfür sind: Recycling-Initiativen, d.h. gemeinsame Recycling- und Abfallmanagementprogramme, die über Gemeindegrenzen hinweg koordiniert werden (Papiertüten KSJ, Empfehlung Kleinkompostierung, Popup-Sammelstellen, kommunale Sammelstationen). Auch Workshops und Schulungen für Kommunalvertreter, Unternehmen und Bürger, in denen Wissen und Bewusstsein über die Vorteile und Methoden des zirkulären Wirtschaftens verbreitet werden konnte, gehören in den Werkzeugkasten: Diese förderte nicht nur das Verständnis, sondern auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Schließlich sind die Rahmenbedingungen relevant, d.h. temporäre regulatorische Erleichterungen und Finanzierung mit Projektbudget, die günstige Rahmenbedingungen für Kooperationen schaffen sollten. Dies ist in Teilen gelungen. Diese Maßnahmen sollten zu einer effizienteren Ressourcennutzung führen und den regionalen Zusammenhalt und die Innovationskraft stärken."