"Im Gespräch ...": Projektende – Was bleibt aus Sicht der Wissenschaft?
Was bleibt aus wissenschaftlicher Perspektive nach Ablauf der Projektförderung?
Wir haben drei Verbundvorhaben gefragt, welche Erfahrungen sie als Wissenschaftspartner gemacht haben und was sie anderen Forschungseinrichtungen in transdisziplinären Projekten auf den Weg geben würden.

Eva Wascher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sozialforschungsstelle Dortmund und im Verbundvorhaben » "KoSI-Lab" tätig.
(Themen: Daseinsvorsorge sichern!, Allianzen bilden!, Experimente wagen!)

Dr. Corinna Fischer arbeitet am Öko-Institut e. V. und ist Verbundkoordinatorin des Projekts »​ "LebensRäume".
(Themen: Innen entwickeln!, Datenschätze heben!, Interkommunal agieren!)
Dr.-Ing. Alexandra Lindner leitet das Dezernat Forschungsförderung an der Hochschule Bochum und ist Verbundkoordinatorin von » "KomMonitor".
Marcel Schonlau ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Bochum und ebenfalls im Projekt "KomMonitor" tätig.
(Themen: Daseinsvorsorge sichern!, Datenschätze heben!)

 

Frau Wascher, Frau Fischer, Frau Lindner und Herr Schonlau, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden in ihren Projekt im Hinblick auf den Umgang mit den Auswirkungen des demografischen Wandels und eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung gewonnen?

Eva Wascher – "KoSI-Lab": Im Projekt "KoSI-Lab“ haben zwei Modellstädte Innovationslabore als Orte und Prozesse zur Förderung neuer Praktiken in der Stadtgesellschaft aufgebaut. Anhand der beiden Beispiele konnten wir veranschaulichen, wie hiermit Nachhaltigkeitsinnovationen gemeinsam auf den Weg gebracht werden konnten. Bei der Einrichtung von Innovationslaboren und den darin geförderten Innovationsprozessen müssen bereits in der Phase der Problemidentifikation und Mandatierung ausdrücklich auch Schwerpunkte auf die Entwicklung gesellschaftlicher Praktiken gelegt werden, um eine Wirkung in Bezug auf nachhaltige Kommunen erreichen zu können. Dies bezieht sich auf die Auswahl der Themen für einen Innovationsprozess, gleichzeitig aber auch auf die Rahmenbedingungen und Finanzierungsmöglichkeiten, über die der Innovationsprozess gefördert werden kann.

Corinna Fischer – "LebensRäume": In älteren Einfamilienhausgebieten schlummern Potenziale für Nachverdichtung. Viele Menschen wohnen nach dem Auszug der Kinder allein oder zu zweit auf großen Flächen. Oft können sie sich Alternativen vorstellen: Das Haus teilen und einen Teil vermieten, es gegen eine kleinere Wohnung tauschen, in ein Gemeinschaftswohnprojekt ziehen. Eine persönliche Beratung hilft und motiviert, neue Wohnideen zu entdecken. Doch um sie zu verwirklichen, muss die Kommune an vielen Stellen unterstützen: Altersgerechte Wohnungen schaffen, Tausch oder Verkauf im Bestand vermitteln, Eigentümer*innen und Wohnungssuchende beraten, finanzielle Anreize für Umbau bereitstellen. Die Handreichung » "Wohnraummobilisierung – gut für Mensch, Kommune und Klima" gibt Tipps dafür.

Alexandra Lindner & Marcel Schonlau – "KomMonitor": In "KomMonitor" wurde ein GIS-basiertes raum-zeitliches Monitoringsystem entwickelt, das auf Geodaten und Statistiken basiert. Hiermit können Prozesse der Stadtentwicklung beobachtet, analysiert und Entwicklungstendenzen erkannt werden, um Planungs- und Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Für die Konzeption und Umsetzung nachhaltiger städtebaulicher Projekte ist ein integrierter Blick auf alle relevanten Themenfelder und Prozesse der Stadtentwicklung unerlässlich. Im Monitoringsystem bilden geeignete Daten und Indikatoren diese Prozesse umfänglich ab, so entsteht ein wertvolles und maßgebliches Werkzeug für die alltägliche kommunale Planungspraxis. Im System können bspw. Ziel- und Schwellenwerte verwendet werden, um verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte zu beobachten.

Zum Abschluss ihres Projekts – beschreiben Sie uns doch bitte eine wesentliche Erfahrung aus der Arbeit der letzten drei Jahre. Was haben Sie gelernt und was würden Sie anderen Forschungseinrichtungen in transdisziplinären Projekten auf den Weg geben?

Eva Wascher – "KoSI-Lab": Der transformative Effekt zivilgesellschaftlicher und kommunaler Aktivitäten kann durch wissenschaftliche Expertise verstärkt werden. Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird hier eine besondere Rolle zugetragen. Sie verfügen über interdisziplinäre Expertise und sind in vielfältige Wissensräume eingebunden. Das Wissen um die Entwicklung und Durchführung transdisziplinärer Forschungsprojekte wächst, und es wird für Wissenschaftler*innen zunehmend einfacher, auf Erkenntnisse zu gelungenen Forschungs- und Praxisdesigns zurückzugreifen (z. B. tdAcademy). Wege der Transformation hin zu nachhaltigen Kommunen müssen nicht notwendigerweise wissenschaftlich begleitet werden. Aber verschiedene transdisziplinäre Forschungsprojekte können diesen Prozess in einer Kommune wesentlich unterstützen.

Corinna Fischer – "LebensRäume": Um solche Veränderungen in Kommunen anzustoßen, braucht es Zeit. Zeit, um gemeinsam das Zielbild zu klären und im Projektverlauf immer wieder anzupassen. Zeit, um Vertrauen zwischen den Partnern aufzubauen. Zeit, um die vielen kommunalen Akteure einzubinden, deren Unterstützung gebraucht wird. Unerlässlich ist der Rückhalt der Kommunalpolitik, der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Für die Umsetzung braucht es Zivilgesellschaft, Verbände und Unternehmen. In unserem Fall zum Beispiel: Sozialverbände, Banken und Sparkassen, Energieberater*innen. Ideal wäre eine Projektvorphase: Sie würde ermöglichen, die wichtigen Akteure ins Boot zu bekommen, das Zielbild zu entwickeln, einen schwungvollen gemeinsamen Start hinzulegen.

Alexandra Lindner & Marcel Schonlau – "KomMonitor": Eine produktive Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kommune erfordert eine Eingewöhnungsphase, um sich auf eine gemeinsame Sprache und abgestimmte Prozesse zu verständigen. Der Fokus auf Erkenntnisgewinn und Innovation muss mit klaren Spielregeln und strukturellen Abhängigkeiten in Einklang gebracht werden. Das erfordert einen langen Atem und Verständnis, um die gegenseitig auftretenden Ansprüche zu vereinbaren und Vertrauen zu schaffen. Ist dies gewährleistet, bietet die Kooperation viele Chancen. Kommunen sind aktive Partner bei der Entwicklung der Fragestellungen und der Identifikation der Bedarfe. Gemeinsam können passgenaue Lösungen entwickelt, aus dem Forschungsprozess in die Praxis transferiert, erprobt und im Optimalfall verstetigt werden.

 

Thema: Daseinsvorsorge sichern!, Innen entwickeln!, Allianzen bilden!, Datenschätze heben!, Interkommunal agieren!, Experimente wagen!